Erweiterung der Kalkabgrabungsflächen

Was bisher genehmigt wurde

Die Konflikte durch bestehende Kalksteinabgrabungen wurden 1997 im so genannten Kalk-Gutachten des Landes NRW unter Beteiligung aller Träger öffentlicher Belange diskutiert. Dieses Gutachten sollte den Entscheidungsträgern zukunftsweisende Entscheidungen über den Konflikt zwischen Naturschutz und Kalkabbau ermöglichen. Leider ist von den sechs verschiedenen Lösungsansätzen der nach Meinung der Bürgerinitiative Pro Teuto e.V. „betriebswirtschaftliche Ansatz“ gewählt worden.

Bestehende Kalkabbau-Genehmigungen

Im Februar 1999 wurde die letzte Genehmigung für die Erweiterung der Kalkabbauflächen erteilt (ca. 30 ha). Die ansässigen Zementfirmen Fa. Calcis Lienen (ehemals Schenking) und Fa. Buzzi/Dyckerhoff AG verfügen heute über genehmigte Abgrabungsflächen, die die Unternehmen noch bis ca. 2027 (Buzzi/Dyckerhoff) bzw. bis ca. 2017 (Fa. Calcis) mit Abbauflächen versorgen.

„Das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung zeigt, dass durch den Eingriff das ökologische Gesamtsystem zwar durch einen schwerwiegenden und nachhaltigen Eingriff gem. § 4 Landschaftsschutzgesetz NW gestört, die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes (Biotopenverbundsystem „Teutoburger Wald“) jedoch erhalten bleibt.“
Quelle: Genehmigungsbescheid vom 25.02.1999 Seite 23

Im Ergebnisprotokoll der entscheidenden Abschlußsitzung des Arbeitskreises Kalkabbau Teutoburger Wald am 31.05.1999 im Rathaus der Stadt Lengerich vom 02.06.1999 heißt es zum Thema „Runder Tisch“ und Entwicklungsperspektiven nach 25 Jahren unter Punkt 5.4

„Runder Tisch 2025

Mit dem „Runden Tisch 2025“ soll im kontinuierlichen Dialog der Interessenskonflikt im Teutoburger Wald aufbereitet und Entwicklungsperspektiven aufgezeigt werden. Die Forderung nach dem Runden Tisch kam von mehreren Beteiligten (DGB, Kommunen, Arbeitgemeinschaft Naturschutz Tecklenburger Land – ANTL-).

Herr RR Lauer erklärt für die BR Münster, daß die Bezirksregierung dem Beschluß des Bezirksplanungsrates gemäß zum „runden Tisch“ in Kürze einladen wird und daß sich Regierungspräsident Dr. Twenhöven sich dieses Problems persönlich annehmen werde.

Herr Stadtdirektor Striegler bittet, zum „runden Tisch“ auch den DGB und wegen der besonderen Bedeutung der Zementindustrie für die Stadt Lengerich nach Lengerich einzuladen. Die Entwicklungsperspektiven nach 25 Jahren sind für die Stadt Lengerich von besonderer Bedeutung. In diesem Zusammenhang teilt Herr Murken, Bürgermeister der Gemeinde Lienen mit, dass eine Anfrage an das Wirtschaftsministerium bis heute noch nicht beantwortet sei. Der Verhandlungsführer [MR Ellerbrock – FDP] sagt zu, sich weg. des o. a. Briefes mit dem Wirtschaftsministerium ins Benehmen zu setzen.

Seitens des Naturschutzes besteht die Zielvorstellung, dass es nach 25 Jahren keiner Erweiterung der bestehenden Abgrabungen mehr bedarf. Diese Vorstellung trifft auf Gegenrede bei Industrie und Kommunen.“

Die durch den Abbau erforderliche Umwandlung von Waldfläche sollte durch Ersatzaufforstungen in einem Umfang von insgesamt 90 ha kompensiert werden. Inwieweit diese Kompensationsmaßnahmen bereits durchgeführt wurden, ist der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt gegeben worden. Es ist von öffentlichem Interesse, wie genau, wo und in welcher Form diese Kompensationsmaßnahmen bisher erfolgreich durchgeführt wurden.

Neue Strategie der Firmen: „vorgezogene Kompensationsmaßnahmen“ als Ausgleich für die zukünftige Inanspruchnahme weiterer Abgrabungsflächen

Für den über 2017 (Fa. Calcis, Lienen) bzw. über 2027 (Fa. Buzzi/Dyckerhoff, Lengerich u. Lienen) hinausgehenden Zeitraum haben die beiden Firmen weitere, so genannte„Interessensgebiete“ für den Kalkabbau benannt. Diese „Interessensgebiete“ liegen vollständig im FFH Schutzgebiet.

Ein in den „Interessensgebieten“ geplanter, weiterer Eingriff in das FFH Schutzgebiet über den Zeitpunkt 2017/2027 hinaus kann nur dann genehmigt werden, wenn geeignete Kohärenzmaßnahmen durchgeführt werden. Diese Maßnahmen müssen sicherstellen, dass das Netz von Schutzgebieten (NATURA 2000) in seiner zusammen wirkenden Funktion (Kohärenz) nicht beeinträchtigt wird.

Hierfür legten die Zementfirmen der Bezirksregierung Münster bereits ein so genanntes „Kompensationskonzept“ vor. Bei den Kompensationsmaßnahmen handelt es sich sowohl um Neupflanzung von Buchenwaldflächen außerhalb des FFH Schutzgebietes, als auch um Umbau von Fichtenbeständen in Buchenwald innerhalb des FFH Schutzgebietes als vorgezogener Ausgleich für die weitere Inanspruchnahme von Abgrabungsflächen.

Insgesamt betragen die „Interessensgebiete“ der Firmen für weitere Abgrabungen in den drei Teilbereichen eine Fläche von 111 ha, überwiegend Buchenwaldfläche, aufgeteilt in drei Bereiche: Lengerich-Hohne 33,3 ha, Höste 50,9 ha und Lienen 27,5 ha.

Die Abgrabungsgenehmigungen für die „Interessensgebiete“ werden aber nicht gleichzeitig, sondern offensichtlich „Stück für Stück“ beantragt.

So wurden im 25. Änderungsantrag des Regionalplans zunächst 28 ha in Lienen und 26 ha in Lengerich-Hohne, insgesamt rund 54 ha zur regionalplanerischen Ausweisung als Abgrabungsfläche beantragt. Diese Fläche entspricht einer Größe von ca. 75 Fußballfeldern !

Privatrechtliche Vereinbarung zwischen dem Land NRW und den Zementfirmen

Zwischen dem Regierungspräsidenten Dr. Paziorek, dem Kreis Steinfurt, dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW und den beiden Zementfirmen wurde am 19.03.2008 eine Vereinbarung geschlossen. Es handelt sich hier augenscheinlich nicht um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Die Naturschutzverbände wurden zu den Gesprächen nicht eingeladen.

„Ziel dieser Vereinbarung ist es, die Anrechenbarkeit naturschutzfachlicher Maßnahmen, zu denen die vertragsschließenden Firmen rechtlich im Augenblick nicht verpflichtet sind, als Kohärenzsicherungsmaßnahmen i.S. v. § 34 Abs. 5 BNatSchG und § 48 d Abs. 7 Landschaftsgesetz – LG sowie als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen i.S. v. § 19 BNatSchG und §§ 4a und 5a LG für etwaige zukünftige Abbauvorhaben verbindlich festzulegen, und damit positive Voraussetzungen für  Regionalplanänderungen und zukünftig zu beantragende Genehmigungen zu schaffen.

Die naturschutzfachlich abgestimmten Maßnahmen…können in ein Ökokonto nach § 5a LG aufgenommen werden.   …

Die Vereinbarung enthält keine förmliche Zusicherung gem. § 38 VwVfG seitens des Landes oder des Kreises Steinfurt, die die Behörden in ihrer Entscheidung über zukünftig gestellte Anträge der Abgrabungsfirmen binden würde“.

(Quelle: Anlage 4: Top 10_SV53 Interessenausgleich Vereinbarung aus 2008)

Inzwischen ist klar, dass diese Vereinbarung rechtlich keinen Bestand hat. Das Umweltministerium hat durch Erlass entschieden, dass eine FFH Verträglichkeitsprüfung zwingend durchzuführen ist.

Zonierungskonzept – regionalplanerische Vorbereitung späterer Abgrabungen

Im Jahre 2008 wurde das gesamte FFH Schutzgebiet in einem so genannten „Zonierungskonzept“ aufgeteilt in Flächen für den Landschaftsschutz LSG (20%) und Flächen für den Naturschutz NSG (80%).  Dieses geschah durch einen Landschaftsplan Lienen III auf der östlichen Seite der Gemeinde Lienen und per Verordnung der Bezirksregierung Münster (Amtsblatt Nr. 20) auf Lengericher Seite.

Bei dieser „Zonierung“ wurden die „Interessensgebiete“ der Kalk verarbeitenden Industrie, die direkt neben den bereits bestehenden Steinbrüchen lagen, als (weniger schutzwürdige) Landschaftsschutzgebiete (LSG) ausgewiesen, während die restlichen Flächen als Naturschutzgebiete (NSG) ausgewiesen wurden. Obwohl es damals beim Landschaftsplan Lienen III die Möglichkeit der Stellungnahme für die Öffentlichkeit gegeben hat, wurden nur wenige Einsprüche der Öffentlichkeit verzeichnet.

Im Jahre 2008 konnte vermutlich noch niemand ahnen, dass die festgelegten Landschaftsschutzgebiete später zu Abgrabungsflächen werden sollten. Es kann also auch kaum verwundern, dass damals nur wenige Einsprüche der Öffentlichkeit erfolgten.

Frühjahr 2011: Antrag auf  „25. Änderung des bestehenden Regionalplans“

Für diese „Landschaftsschutzgebiete“ in Hohne und in Lienen, die direkt neben den bereits genehmigten Abbauflächen liegen, wurde im Frühjahr 2011 ein Antrag auf 25. Änderung des Regionalplans gestellt. Insgesamt 54 ha sollten als Abbaufläche regionalplanerisch ausgewiesen werden. Diese Änderung des Regionalplans wäre notwendige Voraussetzung für ein späteres Genehmigungsverfahren. Eine Änderung des Regionalplans erfordert eine FFH Verträglichkeitsprüfung nach Art 6 (Abs. 3) FFH Richtinie unter Beteiligung der europäischen Kommission. Pro Teuto e.V. hat dieses Prüfverfahren kompromißlos eingefordert. Die Bürgerinitiative möchte eine weitere Zerstörung des Lebensraums verhindern und benötigt dafür die Unterstützung der Lengericher und Lienener Bürger. Inzwischen hat das Umweltministerium per Erlass verfügt, dass eine FFH Verträglichkeitsprüfung zwingend erforderlich ist.